Prioritäten und Herausforderungen der rumänischen EU-Ratspräsidentschaft

, von  Lucie Fierdehaiche, übersetzt von Katja Friedewald

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Prioritäten und Herausforderungen der rumänischen EU-Ratspräsidentschaft

Am ersten Januar wechselte wie alle sechs Monate der Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Dieses Mal ist Rumänien an der Reihe – erstmals seit seinem Eintritt in die Europäische Union vor zwölf Jahren.

Dem Staat, der die EU-Ratspräsidentschaft innehat, kommt eine tragende Rolle zu: Er übernimmt den Vorsitz der Ministerräte, koordiniert Ausschüsse und Arbeitsgruppen. Seine Aufgabe ist außerdem, im Falle von politischen Streitigkeiten Kompromisse auszuarbeiten. Im Hinblick auf die aktuelle politische Situation ist für das kommende halbe Jahr keine einfache Präsidentschaft zu erwarten, da diese vor allem durch den Brexit und die Europawahlen im Mai bestimmt sein wird.

Priorität: Ausloten interner Spannungen?

Seit zwölf Jahren ist Rumänien nun Mitglied der Europäischen Union. Die Aufnahme des Staates, in dem im Vorfeld hierzu weitreichende Reformen notwendig gewesen waren, gestaltete sich als langer und schwieriger Prozess. Das Land galt lange als eines der europhilsten innerhalb der Europäischen Union, seit einiger Zeit ist das Verhältnis zwischen Bukarest und Brüssel jedoch angespannt. Grund hierfür ist unter anderem die von der rumänischen Regierung angestrebte Justizreform.

Die drei Gesetzesvorschläge sehen eine Einschränkung der Unabhängigkeit der rumänischen Richter*innen und Staatsanwält*innen vor und führen somit zu einer Lockerung des Vorgehens gegen die Korruption. Die Europäische Kommission hat diesbezüglich verlauten lassen, sie wolle verhindern, dass Rumänien sich ein schlechtes Beispiel an den autoritären Tendenzen seines Nachbarlandes Ungarn nehme. Es steht jedoch zum jetzigen Zeitpunkt außer Frage, ein Verfahren nach Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union, der im Falle einer „eindeutige(n) Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung“ der EU-Werte greift, einzuleiten, wie es etwa gegenüber Polen praktiziert wurde.

In einem Interview mit Ouest France am 28. Dezember 2018 äußerte Elena Calistru, Präsidentin der NGO Funky Citizens, ihre Bedenken hinsichtlich der rumänischen Politik. Sie schätzt, dass Rumänien den gleichen Weg wie Polen und Ungarn einschlagen wird, auch wenn es auf diesem Weg nicht ganz so weit gehen wird.

Der Gedanke liegt nahe, dass die rumänische Regierung während ihrer Ratspräsidentschaft gewisse den Mitgliedsstaaten auferlegte Pflichten abzuwandeln suchen wird. Noch sind die Prioritäten vonseiten der rumänischen Regierung nicht klar definiert. Weitere Informationen dazu werden sicherlich in den Tagen nach dem Amtsantritt bekannt gegeben. (Zum Zeitpunkt der Übersetzung (16.01.2019) wurden die Schwerpunkte der rumänischen Präsidentschaft bereits im Europäischen Rat vorgestellt; Anm. d. Übers.)

Die Herausforderung: Gewährleistung von Stabilität in Europa

Die Bedenken bezüglich der Eignung Rumäniens zur Ratspräsidentschaft mögen zweitrangig erscheinen, wäre nicht 2019 ein entscheidendes Jahr für die nahe Zukunft der Europäischen Union. Von Januar bis einschließlich Juni 2019 stehen einige wichtige Ereignisse an.

Zunächst einmal ist da jenes, das am 29. März 2019 stattfinden wird. An diesem Tag wird das Vereinigte Königreich nach dem Sieg des Leave im Juni 2016 offiziell aus der Europäischen Union austreten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch unklar, wie genau der Austritt ablaufen wird. Diese Situation sollte überlegt angegangen werden, da sie einerseits sehr medienwirksam ist und andererseits die wirtschaftliche Lage beeinflussen wird. Vor dem Hintergrund dieses Ereignisses werden außerdem im Mai 2019 die Europawahlen stattfinden.

Vom 22. bis 26 Mai werden die europäischen Bürger*innen aufgerufen sein, wie alle fünf Jahre ihre Abgeordneten zu wählen. Die Flüchtlingskrise, Probleme auf dem Arbeitsmarkt, und auch die europäische Politik haben eine Welle ausgelöst, auf der die EU-feindlich eingestellten politischen Parteien reiten. Aktuelle Umfragen bezeugen einen Anstieg von Euroskeptizismus. Dies ist insofern besonders beunruhigend, als den Abgeordneten eine wichtige Rolle innerhalb der europäischen Institutionen zukommt. Sie erarbeiten Gesetzesvorschläge, stimmen über sie ab, und prüfen die Vorschläge zu Richtlinien und gemeinsamen Verordnungen der Europäischen Kommission und des Rates der Europäischen Union.

Schließlich stellen auch die anstehenden Diskussionen über den Haushalt der Europäischen Union eine Herausforderung der kommenden Ratspräsidentschaft dar. Zu diesem Thema wird es unter den Mitgliedsstaaten erbitterte Diskussionen geben, da hier ihre Finanzhoheit direkt betroffen ist. Außerdem muss zusätzlich ab sofort das Auslaufen des Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung, Horizont 2020, vorbereitet werden.

Europa erwartet ein stürmischer Start in dieses Jahr. Um das europäische Ideal vor den aufschlagenden Fluten retten zu können, wird es einer fehlerfrei funktionierenden rumänischen Präsidentschaft bedürfen – welche somit zu einer Überlebensfrage wird.

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